Leben zwischen den Geschlechtern

Es gibt so viele Geschlechter, wie es Menschen gibt. Jeder ist auf irgendeine Weise Bisexuell, denn jeder Mann ( und sei es der größte Macho, den es auf der Welt gibt ) hat weibliche Anteile in sich und umgekehrt hat auch jede Frau männliche Anteile. Nur das Verhältnis zwischen diesen beiden bestimmt den Grad, mit dem eines der Geschlechter dominiert.

Beweise dafür finden sich schon bei so profanen Dingen wie den Geschlechtshormonen, denn es sind bei jedem Menschen die Hormone beider Geschlechter vorhanden (auch Männer haben Östrogene in ihrem Körper!).

Leider verdrängen die meisten Menschen diese Tatsache und das ist schade, den wenn man einmal die andere Seite zulassen kann, ergibt sich daraus eine neue Art bewusst mit sich umzugehen. Man muss ja gar nicht das andere Geschlecht ausleben, aber warum sollte man sich nicht dessen positive Eigenschaften herausgreifen und sie in sein Leben integrieren.

Wer sagt den, dass Männer keine Gefühle zeigen dürfen und Frauen immer nur klein beigeben müssen. Ein Mann der seine(n) Partner(in) versteht und nachvollziehen kann, wie es ihr/ihm geht, wird eine erfülltere Partnerschaft haben als jemand, der nur seine eigenen Interessen sieht. Auf der anderen Seite wird eine Frau, die auch mal Selbstbewusst auftritt und ihren eigenen Weg verfolgt am Ende ihres Lebens eher sagen, es war erfüllt.

Leider vergessen speziell Transsexuelle nach ihrem Rollenwechsel oft diese Tatsache und wollen nur noch in einer der beiden Welten leben. Meist wird dann daraus kein normales Leben sondern ein Klischee, das sehr eingeschränkt ist. Wenn eine MzF z.B. keine Hosen trägt, nur weil sie der Meinung ist, dies sei unweiblich (schaut euch doch mal die Frauen auf der Straße an, wie viele davon Hosen tragen und sich trotzdem weiblich vorkommen). Wenn ich mein altes Leben verlassen habe, weil ich mich nicht mehr anpassen konnte, warum nehme ich dann in meinem neuen Leben die Last auf mich, mich erneut anzupassen.

Frau sein bedeutet nicht, kein Mann zu sein.

Dies ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung (und gilt analog auch für FzM).

Wenn ein Mensch zu gleichen Teilen mit männlichen und weiblichen Anteilen ausgestattet ist, sollte er sich nicht für eine Seite entscheiden müssen sondern beides gleichzeitig ausleben dürfen Leider wird dies in unserer Gesellschaft ziemlich schwierig, weil es überall die Geschlechtertrennung in Mann und Frau gibt (ich habe es noch nie verstanden, warum es Damen- und Herrentoiletten geben muss und oft kann ich mich nur schwer entscheiden). Wie schön wäre es doch, wenn die Kinder nicht in dem Bewusstsein aufwachsen würden, das es nur Mann und Frau und nichts dazwischen gibt. Vielleicht sollten Eltern sogar ihre Söhne (Töchter) mal eine Zeitlang als Mädchen (Jungen) erziehen, damit diese das andere Geschlecht besser Kennenlernen und später mehr Verständnis für ihre Partner entwickeln.

Mein Persönlicher Weg, um in der heutigen Gesellschaft Leben zu können und akzeptiert zu werden, besteht darin, dass ich abwechselnd mal die eine oder die andere Rolle, je nach Gefühlslage, auswähle. Nach außen hin stelle ich (hauptsächlich im Berufsleben) eine Frau dar (meine weibliche Seite überwiegt meist doch und für Außenstehende ist es leichter, wenn ich immer dieselbe Rolle inne habe). Ich oute mich in dieser Rolle nicht, da ich keine Anfeindungen erleben möchte. Dies ist oft nur sehr schwer zu ertragen, weil ich ein sehr offener Mensch bin und gern von mir erzähle.

Aber immer dann, wenn es mir möglich ist und ich gerade Lust darauf habe, entdecke ich meine männliche Seite wieder (meist beim Sex oder im Umgang mit Ina). Wer mich privat kennt, weiß um meine Geschichte und dann muss ich mich auch nicht mehr verstecken. Einige männliche Verhaltensweisen, die ich eine ganze Zeitlang unterdrückt habe, wie z.B. Durchsetzungsvermögen, Entscheidungsfreudigkeit und Selbstbewusstsein, kommen überhaupt erst jetzt, wo ich den Mann wieder zulassen kann, zum Vorschein. Damals, als ich noch in der männlichen Rolle gelebt habe, konnte ich sie nicht zulassen (so sehr wollte ich Frau sein).

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der es die Schubladen Mann und Frau nicht gibt, sondern jeder nach seinen Gefühlen mal etwas männlicher oder weiblicher sein darf. Wo jeder Mensch ein Individuum ist und sich nicht anpassen muss um akzeptiert zu werden.

Auch ein Blick über den Tellerrand hinaus, zu anderen Randgruppen wie Ausländern oder Behinderten möchte ich tun, den diese werden, genau wie wir, ausgegrenzt, weil sie nicht als Menschen, sondern als Andersartige gesehen werden. Wir sollten Toleranz nicht nur für uns fordern, sondern auch für sie.

Karin