Paulus rühmt sich der Bedrängnis

Predigt über Römer 5,1-5 in der Evangelischen Kirchengemeinde Bonn-Holzlar am 7. März 2004, Reminiszere


"Soll man Leid vermeiden?" So lautet die Frage zur Diskussion an die Leser der evangelischen Monatszeitschrift "Chrismon plus rheinland" für das April-Heft. Auf die Beiträge der Leser dürfen wir gespannt sein.

"Soll man Leid vermeiden?" Das klingt zuerst wie eine dumme Frage. Für sich selber wird doch jeder so viel Leid vermeiden wie irgend möglich, und so gut er kann.

Ein bedeutender Mann zumindest sah das ganz anders, und er nahm viele Strapazen und viel Leid auf sich. Er rühmt sich sogar dieser Strapazen, mehr noch, er rühmt die Strapazen selbst! Für ihn gegenwärtige Strapazen, nicht etwa vergangene. Ich spreche vom Apostel Paulus und seinem Brief an die Römer. Dort steht am Anfang von Kapitel 5:

Hier sind die Bedrängnisse der Höhepunkt, die Spitze des Textes. Am Anfang steht Erlösung, die schon geschehen ist durch das Leben, Leiden und Sterben Jesu. Ziel ist die zukünftige Herrlichkeit, die Gott geben wird. Die gegenwärtigen Bedrängnisse sind dann die Verbindung von der Erlösung durch Jesus Christus hin zur versprochenen Zukunft bei Gott.

So spannt Paulus einen Bogen vom -- schon geschehenen -- Guten über das gegenwärtige Bedrängende zum künftigen Guten, nämlich
-- von Gottes Freispruch für alle Glaubenden, von unserer schon geschehenen Erlösung,
-- über die gegenwärtigen Bedrängnisse und Leiden
-- hin zur Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.
Lassen Sie uns die drei Teile dieses Bogens betrachten.

(1) Gerecht geworden durch den Glauben, schreibt Paulus. Wir sind schon gerecht gesprochen, freigesprochen von allen Anklagen, durch unseren Glauben, durch unser Vertrauen auf Gott.

Wir haben uns Wichtiges nicht selber verdient, alles Wichtige haben wir empfangen, vieles vom Schöpfer, vieles von unseren Mitmenschen. Das sind Geschenke, die uns befreien, nun selber zu schenken. Wir sind nicht zu guten Taten verpflichtet, sondern wir sind befreit, zu lieben und Gutes zu tun. Das ist der Anfang des Bogens, den Paulus spannt.

Wir müssen uns auch keine Anerkennung mehr verdienen, weder bei Gott noch bei den Menschen. Wir haben Frieden mit Gott, und der hängt nicht von unseren Leistungen ab, weder von vergangenen noch von künftigen Leistungen.

Wir haben diesen Frieden mit Gott und den Zugang zur Gnade durch Jesus Christus, schreibt Paulus. Wir haben Frieden durch den Glauben, also durch das Vertrauen auf Gott. Wir sind gewiss: Das Gute ist stärker als das Böse und die Gleichgültigkeit. Zu diesem Vertrauen auf Gott hat Jesus uns gebracht. Wie diese großen Worte zu erden sind, das steht in den Berichten der Evangelisten über Jesus.

Wir sind gerecht gesprochen, freigesprochen, erlöst. Friedrich Nietzsche, Sohn eines Pfarrers, schrieb: Ihr Christen müsstet erlöster aussehen, wenn ich an euren Erlöser glauben sollte. Ich höre daraus: Wir rühmen uns zuwenig unserer Befreiung, wir strahlen zuwenig Freude aus. Wer so viel zu danken und weiterzugeben hat, wie könnte der sauer aussehen?

(2) Paulus schreibt: „Wir rühmen uns ...". Ich lese die Aussage des Paulus so: Wir Christen haben allen Grund, uns zu rühmen. Wir haben Grund, uns viel mehr zu rühmen, als man jetzt in der Öffentlichkeit bemerken kann.

Uns rühmen, das ist etwas völlig anderes als Eigenlob. Paulus rühmt sich nicht seiner Fähigkeiten oder seiner Leistungen, das liegt ihm fern. An anderer Stelle rühmt er sich sogar seiner Schwachheit (2 Kor 11,30). Er rühmt sich der Wohltaten Gottes, die er empfangen hat und mit denen Gott durch ihn hindurch wirkt.

Wir Christen rühmen uns dessen, was uns geschenkt wurde, wir rühmen uns unserer Freiheit von Zwängen und Zielen der Welt, wir rühmen uns mit den Juden dessen, daß wir Gott kennen (Jer 9,23), weil er sich uns offenbart hat. Wir Christen rühmen uns, weil wir von Jesus wissen, worauf es ankommt und was bleibt, auf wen es ankommt und wer bleibt. Wir dürfen und sollen uns so deutlich rühmen, daß die anderen das im Alltag merken.

Paulus rühmt sich hier der Hoffnung und "auch der Bedrängnisse". Die Bedrängnisse sind die Mitte des Bogens, den er spannt, vom schon Geschehenen zur Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit.

Er nennt zuerst seine Sicherheit im Glauben, weil er von Gott angenommen ist und Gottes Liebe nicht erst zu verdienen braucht, genau wie wir. Er rühmt sich aber dann all dessen, was ihn bei der Verbreitung des Evangeliums bedrängt und quält: Schiffbruch, Gefängnis, Schläge und die Strapazen weiter Reisen.

Hat Paulus Leid vermieden oder gemieden? Nein, er hat das Nötige getan und dabei zusätzliches Leiden riskiert und bekommen. Er litt außerdem unter einem heftigen körperlichen Schmerz, einem Stachel oder Pfahl im Fleisch, wie er schreibt (2 Kor 12,7).

Paulus ertrug Leiden mit mindestens drei Arten von Ursachen, nämlich
-- schicksalhaftes Leiden wie Krankheiten und Unglücksfälle; von dieser Art sind auch das Altern und das Sterben und der Verlust geliebter Menschen,
-- Leiden, das er auf sich nimmt, weil er das Notwendige tut, und
-- Leiden, das andere Menschen ihm absichtlich zufügen.

Soll man Leid vermeiden? Paulus hat Gott dreimal angefleht, den Pfahl aus seinem Fleisch zu nehmen, vergeblich. Sicher soll man behebbares Leid beheben. Aber mit Recht schätzen wir Menschen, die für andere Leiden auf sich nehmen wie Paulus, allen voran Jesus, und seiner Passion gedenken wir ja in diesen Wochen. Christen in Bedrängnissen haben Gott wirksamer gelobt als unsereiner mit regelmäßigem Einkommen und guter Gesundheitsfürsorge.

Bei einer Umfrage, welche Menschen besondere Hochachtung genießen, kam es heraus: Es sind die Menschen, die unter einem schweren Schicksal leiden, aber nicht verzagen, sondern dieses Schicksal meistern. Und man kann den Auftrag des Paulus, für den er litt, auch als sein Schicksal ansehen.

-- Paulus rühmt sich nun der Bedrängnisse mit einer eigenartigen Begründung. Er sagt: Bedrängnis bringt Geduld, Geduld bringt Bewährung, Bewährung bringt Hoffnung. Möchten wir da nicht widersprechen? Kann Bedrängnis nicht manchen in Verzweiflung stürzen?

Wer dauerhaft bedrängt ist, aber weiß, wofür er das erträgt, der entwickelt im guten Falle Geduld. Wer mit Geduld und Ausdauer Schwieriges durchsteht, bewährt sich wirklich, hat die Hochschätzung verdient. Wer sich in Bedrängnissen bewährt, in dem wächst die Hoffnung, und diese Hoffnung festigt sich wohl auf die Dauer. So können Bedrängnisse die Hoffnung stärken, wenn sie den Blick auf die Herrlichkeit Gottes nicht verstellen.

(3) Paulus spricht nicht von der Hoffnung im Allgemeinen. Er rühmt sich der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. Und er sagt, dass es die Hoffnung ist, die uns rettet: Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden. Hier genügt es, die Hoffnung mit Glaube und Liebe zusammen zu sehen, wie Paulus den Korinthern schreibt.

Es ist auch die Hoffnung, die Zuversicht, dass wir das einzig Richtige tun, wenn wir dem Wort und dem Vorbild Jesus folgen, ihm nachfolgen. Wohin sollten wir sonst gehen? Jesus hat Worte ewigen Lebens, gelingenden Lebens, des Lebens mit Gott, jetzt und über den Tod hinaus, stärker und wichtiger als der leibliche Tod. Es kann nicht falsch sein, Jesus zu folgen.

Ich denke, der beste Schluss für diese Predigt kommt von Paulus selbst. Darum lese ich den Predigttext noch einmal.


Eberhard Wegner / Dank; weitere Predigten