Erscheinungen des Auferstandenen

Predigt zu Markus 16,9-14 in der Evangelischen Kirchengemeinde Bonn-Holzlar am 22. April 2001, Quasimodogeniti


Vor einer Woche, am Beginn des Frühgottesdienstes zu Ostern, rief Pfarrer Kalhöfer in die Gottesdienstgemeinde "Christus ist auferstanden!", und die meisten antworteten "Er ist wahrhaftig auferstanden!" Dieser Wechselruf kommt aus Russland, und zwar aus dem Alltag der Christen dort, nicht etwa nur aus dem Gottesdienst. Er stammt aus dem Lukas-Evangelium (24,6.34). Ich freue mich, dass dieser Ruf sich auch bei uns einbürgert. Damit benennen wir Christen den Grund unserer Osterfreude. Was wäre aber, wenn Christus gar nicht auferstanden wäre? Nur ein Grund zur Freude weniger, oder Schlimmeres?

Die Antwort auf diese Frage haben wir vorhin aus dem ersten Korintherbrief gehört. In der Gemeinde von Korinth hatten einige Christen gesagt: Es gibt keine Auferstehung der Toten. Paulus antwortet ihnen: Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Und noch schärfer: Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Paulus stellt damit die Auferstehung als den Mittelpunkt des christlichen Glaubens dar, den Punkt, an dem alle Zuversicht und Hoffnung der Christen hängt. Immerhin hat diese frühe Auseinandersetzung unter Christen die Lage geklärt. An der Auferstehung kann sich kein Christ mehr vorbeimogeln. Andere mögen uns für Spinner halten oder für allzu leichtgläubig, mögen die Hoffnung auf unsere Auferstehung als Wunschdenken ansehen. Wir aber müssen wissen, was wir darauf antworten und worauf wir uns gründen.

Schon damals, als Paulus den ersten Brief nach Korinth schrieb, etwa im Jahre 54 nach Christus, war die Botschaft von der Auferstehung schwer zu glauben. Das ist seitdem immer so geblieben. Mit dieser Schwierigkeit, zu glauben, befasst sich auch unser Predigttext. Er steht am Ende des Markus-Evangeliums. In den frühen Handschriften des Markus-Evangeliums fehlt er. Unser Text wurde erst zwischen dem Jahr 100 und dem Jahr 150 dort angehängt, zu einer Zeit, als alle vier Evangelien schon geschrieben waren. Damals muss die Frage des Unglaubens immer noch so aktuell gewesen sein wie ums Jahr 54 in Korinth.

Ich lese aus Markus 16 ab Vers 9 (bis 14).

(9) Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. Und als diese hörten, daß er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht.
(12) Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht.
(14) Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen.

Dreimal erscheint der Auferstandene, und dreimal geht es um das Nichtglauben: Sie glaubten es nicht, auch denen glaubten sie nicht, er tadelte ihren Unglauben.

"Glauben", das scheint hier zuerst das Für-wahr-Halten von Berichten zu sein. Die elf Jünger zweifeln an den Berichten, halten sie nicht für wahr, halten das Berichtete vielleicht für Einbildung, Irrtum oder gar für Erfindung.

Wann glauben wir einem Bericht? Am ehesten dann, wenn die berichtende Person glaubwürdig ist und die berichtete Sache auch. Wenn die berichtete Sache gar nachprüfbar ist, kommt es auf die Glaubwürdigkeit der Person kaum noch an.

Hier war die berichtete Sache sehr zweifelhaft. Maria Magdalena und die Emmausjünger berichten, sie hätten Jesus gesehen, zwei Tage nach seiner Hinrichtung und Bestattung. Ich kann gut verstehen, dass die elf Jünger das nicht glauben konnten. Von den Toten ist nach aller menschlichen Erfahrung noch keiner zurückgekommen. Wir müssen uns also genauer mit der berichteten Sache befassen. Was heißt das, Christus ist auferstanden?

Maria aus Magdala erkennt ihren geliebten Herrn am Grabe nicht gleich, hält ihn für den Gärtner. Die Emmaus-Jünger wandern stundenlang mit ihm, ohne ihn zu erkennen. Schon die Berichtenden sagen deutlich: Jesus ist nicht einfach ins irdische Leben zurückgekommen. Von der Wiederkehr eines Toten ist nicht die Rede. Mancher Unglaube gilt einer Wiederkehr, die aber mit der Auferstehung gar nicht gemeint ist. Der auferstandene Christus ist, den Berichten nach, deutlich anders als der irdische Jesus, er ist ein Verwandelter.

Das Neue Testament sagt kein Wort darüber, wie die Auferstehung Jesu vor sich ging. Es sagt nur, wie der Auferstandene gewirkt hat und weiter wirkt. Wir haben Berichte von Anhängern Jesu, die den Auferstandenen gesehen und gehört haben. Er begeisterte sie, er gab ihnen Hoffnung und er befähigte sie zu großen Taten. Diese Erfahrungen haben aus zunächst skeptischen, ja ungläubigen Jüngern solche gemacht, die nun anderen ihre gewonnene Gewißheit weitersagen konnten: "Jesus ist auferstanden!"

Die Bibel berichtet erst vom Unglauben und dann vom Osterglauben der Jünger. Wie kam dieser Osterglaube zustande? Jesus erschien selber den Jüngern. Die Jünger hatten ein Erlebnis, das sie veränderte. Mit Begeisterung und mit großen Gnadengaben konnten die Jünger dann genauso unglaubliche Taten vollbringen wie Jesus. Die Evangelisten später müssen auch von Jesus ergriffen gewesen sein, dass sie so schreiben konnten. So ist der Osterglaube der Jünger weitergegeben worden bis auf unsere Tage. Hatten wir nicht auch Erlebnisse, die uns verändert haben, die uns neue Möglichkeiten eröffnet haben?

Jesus und die Apostel förderten das Leben der Menschen, ein Leben in Fülle. Das war keine Zauberei, das waren Taten aus Gnadengaben. Sie handelten im Vertrauen auf Gott, mit viel Einfühlungsvermögen, mit Liebe, mit Einfallsreichtum und vor allem mit dem, was sie als Gaben empfangen hatten. Die Berichte sagen: Das sollen wir auch tun, und die Gaben dafür bekommen wir in dem Maße, wie wir sie brauchen und gebrauchen.

Unser christlicher Glaube ist ein Vertrauen auf die Person Jesus Christus, auf sein Wirken über seinen Tod hinaus. Er hat in Erscheinungen gewirkt, bei Paulus zum Beispiel mit ganz handgreiflichem Effekt: Aus dem Christenverfolger wurde ein Apostel. Und Christus wirkt noch heute durch die, die auf ihn vertrauen -- also auch durch uns.

Die Osterberichte, die Berichte auch vom Osterglauben der Jünger wollen uns zeigen, was möglich ist, was alles geht in Gottes Welt, was auch wir tun können, wenn wir Vertrauen fassen und das einsetzen, was uns geschenkt ist. Die Osterberichte wollen uns begeistern für Jesus und seine Botschaft.

Christus ist auferstanden, das heißt, Jesus wirkte über seinen Tod hinaus damals in den Jüngern und wirkt auch heute weiter in denen, die sich auf ihn und auf seine Botschaft verlassen. Das heißt auch: Gott hat Jesus durch den Tod hindurch gerettet, er hat Jesus ins Recht gesetzt, er hat Jesu Wirken beglaubigt und die Botschaft Jesu für uns bekräftigt. Er hat uns gezeigt, was über den Tod hinaus Bestand hat.

Wie wirkt der Auferstandene heute? Eine Antwort fand ich in einem Text über Wunder, den ich Ihnen weitergeben möchte. Darin heißt es:

- Wussten Sie es schon? Die Nähe eines Menschen kann gesund machen, krank machen, tot und lebendig machen.
- Wussten Sie es schon? Die Nähe eines Menschen kann gut machen, böse machen, traurig und froh machen.
- Wussten Sie es schon? Das Wegbleiben eines Menschen kann sterben lassen. Das Kommen eines Menschen aber lässt wieder leben.
- Wussten Sie es schon? Die Stimme eines Menschen lässt einen anderen Menschen wieder aufhorchen, der für alles taub war.
- Wussten Sie es schon? Das Wort oder das Tun eines Menschen kann einen wieder sehend machen, der für alles blind war, der nichts mehr sah in dieser Welt und in seinem Leben.
- Wussten Sie es schon? Das Zeithaben für einen Menschen ist mehr als Geld, mehr als Medikamente, manchmal mehr als eine geniale Operation.
- Wussten Sie es schon? Das Anhören eines Menschen wirkt Wunder.
(Nach Wilhelm Willms, der geerdete himmel, wiederbelebungsversuche, 7. Auflage, Kevelaer 1986: Butzon und Bercker, zitiert nach Werner Trutwin u.a., Wege des Glaubens, Düsseldorf o.J.: Patmos, S. 196)

Der Auferstandene wirkt in Menschen, die für andere da sind -- und er will auch uns befähigen, aus der Freude heraus für andere da zu sein.

Wenn jemand, der in Russland gelebt hat, uns hier im Rheinland in der Osterzeit begrüßt mit den Worten "Christus ist auferstanden", dann hoffe ich, dass auch jede und jeder von uns ihm aus vollem Herzen antworten kann: "Er ist wahrhaftig auferstanden".


Eberhard Wegner / Dank; weitere Predigten