Predigt in der Evangelischen Kirchengemeinde Bonn-Holzlar am 25. Januar 1998 (Röm 1,14-17)
Ein Buch ist ein Spiegel; wenn ein Affe hineinguckt, kann kein Apostel herausschauen. -- Dieses Buch hier mit Aphorismen von Georg Christoph Lichtenberg kaufte ich mir als Neunzehnjähriger. Ich weiß noch wie heute, daß ich mich damals fragte, ob denn ein Apostel jemand besonders Intelligentes sei. Die zwölf Apostel waren doch Fischer und andere einfache Leute.
Damals war mir nicht geläufig, daß es zumindest noch einen dreizehnten Apostel gibt, Paulus, der sich selbst als eine unzeitige Geburt bezeichnet (1 Kor 15,8), weil Christus ihn erst nach der Auferstehung zum Apostel berufen hat. Seine Briefe sprühen von Intelligenz.
Paulus befaßt sich in seinen Briefen mit ganz schwierigen theologischen Themen. Sein längster Brief ist der Brief an die Römer. Dort steht am Ende der Begrüßung eine ganz kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen des Briefes, eine Vorwegnahme des Inhalts. Diese Kurzfassung schwieriger theologischer Überlegungen ist der Predigttext für heute.
Ich lese die vier vorgeschlagenen Verse aus dem ersten Kapitel des Römerbriefs (1,14-17) in der Einheitsübersetzung. Wenn Paulus von Griechen spricht, meint er Männer und Frauen gleichermaßen, das ist sicher.
Griechen und Nichtgriechen, Gebildeten und Ungebildeten bin ich verpflichtet; so liegt mir alles daran, auch Euch in Rom das Evangelium zu verkündigen. Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt, zuerst den Juden, aber ebenso den Griechen. Denn im Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zum Glauben, wie es in der Schrift heißt (Hab 2,4): Der aus Glauben Gerechte wird leben.
Paulus schreibt aus Griechenland, wo er drei Monate zugebracht hat, wahrscheinlich aus Korinth, kurz bevor er nach Jerusalem aufbricht. Er kündigt seine Reise in die entgegengesetzte Richtung an, nach Rom. Paulus erwartet von der Gemeinde in Rom Unterstützung für seine geplante neue Missionsarbeit in Spanien. Dorthin will er von Rom aus weiterreisen; das sagt er gegen Ende des Briefes. Die Gemeinde in Rom hat schon von Paulus gehört, aber viel mehr auch nicht; nun will sich Paulus selber vorstellen.
Nur in diesem Brief schreibt Paulus einer Gemeinde, die er nicht selbst gegründet hat. Sie ist als Gemeinde von Judenchristen entstanden. Kaiser Claudius wies die Juden wegen ihrer internen Streitigkeiten um die Christusbotschaft aus, wahrscheinlich im Jahre 49. Die Gemeinde bestand als heidenchristliche Gemeinde fort. Ab 54 regierte Nero; er ließ die Juden wieder nach Rom zurückkehren. Zwischen 56 und 58 schrieb Paulus den Brief an die Römer.
Wie sein Brief zeigt, gab es zu der Zeit in Rom eine Gemeinde teils jüdischen, teils nichtjüdischen Ursprungs, wobei ein Teil der Judenchristen sich noch streng an das jüdische Gesetz hielt. Die Gemeinde bestand also aus drei recht verschiedenen Gruppen. Paulus weiß sehr gut, daß ihm ein geistliches und geistiges Abenteuer bevorsteht bei der Begegnung mit den Menschen in der Hauptstadt der Welt. Rom hatte über eine Million Einwohner und herrschte über die anderen Völker; die zweitgrößte Stadt der damals bekannten Welt war Alexandria mit 70 000 Einwohnern. Vielleicht hat er gar etwas Angst.
Der Anfang unseres Textes ist noch recht einfach: Griechen und Nichtgriechen bin ich verpflichtet, Gebildeten und Ungebildeten. Griechentum war gleichbedeutend mit Bildung, und das Wort "Nichtgriechen" war gleichbedeutend mit "Barbaren". Das sind Menschen, die in irgendeiner Sprache etwas sagten, was sich für einen Griechen nur wie "bar-bar-bar" anhörte, statt ordentlich griechisch zu sprechen wie damals alle Gebildeten, auch die Gebildeten in Rom.
Paulus betont, daß er auch zu Ungebildeten spricht. Das wollen wir festhalten: Wer meint, das Evangelium sei nur für Gebildete oder vor allem für Gebildete, der hat die Autorität des Paulus gegen sich -- und natürlich Jesus selbst, der sagte: Ich preise dich, Vater, (...) weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. (Mt 11,25)
Noch ein zweiter Gegensatz wird im Text zusammengefaßt, nämlich Juden und Griechen. Der dritte Sonntag nach Epiphanias hat die Heidenmission zum Thema. Die vorgeschlagenen Stücke sprechen alle von den Heiden oder den Völkern. Aber dafür ist mir der Predigttext für dieses Jahr zu schade. Wir wissen es ohnehin: Die gute Botschaft Jesu Christi gilt allen Völkern und nicht nur den Juden. Das ist heute selbstverständlich geworden.
In einer merkwürdigen Umkehrung hat unsere Kirche inzwischen eingesehen, daß wir bei den Juden besser nicht missionieren sollten, weil ihr Glaube schon der Glaube Jesu ist. Bei allen anderen Völkern sollen wir das Wort Gottes weitersagen, erst recht bei den Deutschen.
Der Predigttext in diesem Jahr hat ein großes Thema, nämlich das Evangelium als Kraft Gottes. Ich lese den Vers 16 noch einmal.
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt, zuerst den Juden, aber ebenso den Griechen.
Ich wiederhole: Das Evangelium, die frohe Botschaft, ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt. Martin Luther übersetzt übrigens "eine Kraft Gottes, die jeden selig macht". Wovor rettet uns diese Kraft, oder wie macht sie uns selig? Gucken wir doch einmal in die Berichte der Evangelisten, wie das aussieht, wenn jemand nicht gerettet wird oder noch nicht. Hier ist meine kleine Auswahl für heute, durchaus persönlich gefärbt:
Diese Befreiung und diesen Anspruch habe ich zugleich schon erfahren und immer neu nötig. Ich brauchen es, daß andere Gedanken, andere Menschen oder Gottes Wort mir aus mancher Gewohnheit heraushelfen. Solche Rettung im kleinen habe ich immer wieder nötig. Aus ihr wächst die Rettung im großen.
Das Evangelium ist laut Paulus eine Kraft Gottes. Gott ist derjenige, der Himmel und Erde gemacht hat. Er schafft und verändert die Welt durch das bloße Wort. Sein Wort ist seine Kraft. Das Evangeliums ist äußerlich gesehen nur Wort, aber in diesem Wort ist die schöpferische Kraft selbst am Werk. Die Schöpfung geht weiter,
Ich denke, wir alle können den Römerbrief in dieser Kurzfassung mit nach Hause nehmen: Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt.
Und der Friede Gottes ...
Fürbitten
Guter Gott: Mit dem Evangelium willst du uns Menschen helfen, unsere engen Grenzen zu überwinden.