Jesu Auferstehung

Predigt über Mt 28,1-10
in der Evangelischen Kirchengemeinde Bonn-Holzlar am 27. März 2005 (Ostersonnzag)


Ostern ist ganz sicher das höchste Fest der Christenheit, denn wir feiern jeden Sonntag die Auferstehung des Herrn. Jeder Sonntag ist ein kleines Osterfest. Schon zu Zeiten des Paulus und des Lukas haben Christen für ihren Gottesdienst den Tag nach dem Sabbat gewählt. Dieser Tag nach dem Sabbat heißt bei den Juden der erste Tag der Woche.

Hören wir, wie Matthäus im letzten Kapitel seines Evangeliums das Oster-Ereignis beschreibt.

1 Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.
2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.
3 Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee.
4 Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.
5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat;
7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, daß er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.
8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.
9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfaßten seine Füße und fielen vor ihm nieder.
10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.

-- Zwei Frauen kommen zum Grab, Maria aus Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus. Bei der Ankunft der zwei Frauen bricht das ganz Unerwartete in die Welt herein, das Übermenschliche, das Göttliche.

Matthäus sagt das mit den damals vertrauten Zeichen: Die Erde bebt, der Engel des Herrn kommt vom Himmel herab, die Menschen erschrecken und fürchten sich. Die Wachleute werden sogar bewußtlos. Der Engel sagt: Fürchtet euch nicht.

Ebenso spricht in der Weihnachtsgeschichte bei Lukas der Engel des Herrn zu den Hirten. Die Zuhörer damals wußten, was das zu bedeuten hatte, nämlich das Hereinbrechen des Göttlichen in die Welt.

Dann aber fährt der Engel fort:
- Jesus ist von den Toten auferstanden.
- Beeilt euch, ihr Frauen, und sagt es seinen Jüngern.
- Jesus geht voraus nach Galiläa.
- Die Jünger werden ihn dort sehen.

Die Frauen sagen kein Wort. Ihre Furcht bleibt, aber Freude kommt hinzu. Sie eilen vom Grab weg zu den Jüngern. Sie rennen, mit großer Freude. Bevor sie zu den Jüngern kommen, begegnet ihnen Jesus selbst. Er sagt das, was auch der Engel gesagt hat: Die Jünger werden ihn in Galiläa sehen.

Die Frauen haben jetzt eine Botschaft auszurichten: Wir sollen ihn in Galiläa sehen; der Tod am Kreuz ist nicht das letzte, was wir von ihm zu sagen haben. Wir sollen dorthin gehen, wo wir zu Hause sind, dort sehen wir Jesus wieder.

Der Evangelist beschreibt manches sehr genau, anderes läßt er ganz offen. Daran können wir erkennen, was ihm wichtig ist. Wie die Auferstehung im einzelnen ablief, davon sagt er kein Wort. Aber den Einbruch des Heiligen in die Welt beschreibt er mit starken Bildern, dieser Einbruch ist ihm wichtig.

Das Erdbeben und die anderen Zeichen begleiten die Ankunft der Frauen am Grab und die Erscheinung des Engels. Wichtig ist dem Evangelisten, daß und wie das Heilige die Menschen ergreift.

Matthäus beschreibt nicht das historische Ereignis der Auferstehung, sondern das Erlebnis der Frauen, die vom Tod Jesu tief erschüttert waren und die nun erfahren, daß etwas Neues begonnen hat. Jesus ist von den Toten auferstanden, das ist für ihn die wichtigste Aussage.

Matthäus spricht von der Auferstehung wie von einem Geheimnis. Das Heilige, das den Menschen ergreift, ist nicht zu erklären, sondern nur staunend zu erfassen und anzunehmen.

Man kann sich verbeißen in Fragen nach historischen Fakten. Aber dem Evangelisten sind solche Einzelheiten nicht wichtig. Er läßt sie offen.

Wir haben also keinen Bericht von der Auferstehung selbst, aber mehrere Autoren schreiben: Der Auferstandene ist Frauen und Männern erschienen. Dieses Geheimnis von Ostern kann also zunächst nur im Vertrauen auf die Wahrhaftigkeit der ersten Zeugen erfaßt werden.

Das war auch für die ersten Hörer und Leser des Matthäus-Evangeliums nichts Gewöhnliches. Wer so von einer Erscheinung berichtete, von einer Rückkehr aus dem Totenreich, mußte schon damals auf Zweifel an seinem Verstand gefaßt sein. Tot ist tot, aus dem Tode ist noch keiner wiedergekommen.

Und doch fand die Botschaft damals auch fruchtbaren Boden. Sonst wäre sie ganz schnell vergessen worden. Es gab fruchtbaren Boden für diese Nachricht: Das Volk Israel wartete auf seinen Retter, auf den Messias.

Ohne diese Erwartung wäre die Botschaft von der Auferstehung gar nicht verständlich. Die Frauen und die Zwölf, von denen die Evangelisten berichten, sahen in Jesus den erwarteten, von Gott versprochenen Retter, den Messias, den Christus. Die Auferstehung beglaubigte Jesus als den Erwarteten.

Die Botschaft breitete sich sehr schnell aus. Ich las, daß die Zahl der Christen in der Frühzeit um 40 % pro Jahr wuchs, weit über das Volk der Juden hinaus. Warum? Dafür genügt nicht die Messias-Erwartung der Juden.

Für Außenstehende neu und attraktiv war vor allem die Art und Weise, wie die Christen mit ihren Schwachen und Bedürftigen umgingen. Das war so neu, daß die ersten Christen die "Menschen vom neuen Weg" genannt wurden. Wie Jesus wandten die Christen sich vor allem denen zu, die aus eigener Kraft nicht mit den Starken mithalten konnten.

Wenn ich es recht sehe, war dieses liebevolle Verhalten der Grund für die Ausbreitung des Glaubens an Jesus Christus, für die Wirkung und schnelle Ausbreitung der Osterbotschaft. Der Evangelist Johannes faßt das so zusammen: Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

Woher nahmen sie die Kraft dazu? Die sich auf den Auferstandenen einließen, erkannten die tiefe Wahrheit der Botschaft, wurden beflügelt, fanden neuen Sinn in ihrem Leben, erkannten das Wirken Jesu in sich selbst.

Jesus hat den Tod überwunden, hören wir. Das heißt nicht nur und nicht zuerst, daß er nach seiner Grablegung noch den Frauen und den Jüngern erscheinen konnte, also seinen eigenen Tod, seinen leiblichen Tod überwunden hat. Das heißt darüber hinaus, daß er heute noch wirkt, uns alle von einem schlimmeren Tod erlöst, nämlich vom Leben gegen Gott, in biblischer Sprache; von der Sünde.

Jesus hat Menschen nicht nur von Krankheiten des Leibes geheilt. Vorher hat er ihnen die Sünden vergeben. Das hatte für ihn offensichtlich Vorrang.

Christus ist gestorben für unsere Sünden, hören wir. Was für Sünden sind gemeint? Wer aufmerksam ist, auch sich selbst gegenüber, bemerkt, daß er immer wieder schuldig wird, zumindest durch Unzulänglichkeit und Unterlassen. Wir tun Gott zu kurz, das ist die Sünde in der Einzahl, und wir tun unseren Mitmenschen zu kurz, das sind einzelne Sünden, in der Mehrzahl. Sünde, erkennbar auch als Schuld, ist der Gegenpol zur Liebe. Schuld ist Mangel an Liebe.

Christus ist gestorben für unsere Sünden. Zuerst heißt das für mich, er ist gestorben, damit wir nicht in Lieblosigkeit verharren, nicht auf vergangene Sünden festgelegt bleiben, sondern mehr lieben. Wer aufmerksam seine eigene Schuld erkennt, wird mit den Mitmenschen liebevoller umgehen.

Ich sprach vom Hineinbrechen des Göttlichen in die Menschenwelt. Mir scheint der Übergang zwischen Göttlichem und Menschlichem fließend zu sein, wir müssen da nicht scharf trennen oder urteilen. Die Liebe ist göttlich und menschlich. Die Zehn Gebote haben sich als so übermenschlich gut erwiesen, daß die Legende von der Übergabe der Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai an Mose entstand und überliefert wurde. Ähnlich sehe ich in der Auferstehung Göttliches und Menschliches miteinander verbunden.

Das Faktum der Auferstehung für sich bringt wenig oder nichts. Die Berichte aber wollen uns sagen: Der Auferstandene will heute und in Zukunft in unser Leben hinein wirken. Gleich, beim Abendmahl, feiern wir seine Gegenwart.

So plastische, anschauliche Erscheinungen, wie die Evangelisten und Paulus berichten, erwarten wir heute nicht. Immerhin machen auch heute manche Menschen mystische Erfahrungen, Menschen, die sich innerlich auf Gott und Christus zu bewegen.

Wenn wir uns Gott öffnen im Schweigen, Beten und Arbeiten, wird auch uns vielleicht eine unerwartete Erfahrung seiner Nähe geschenkt. Vielleicht erleben wir dann etwas von dem, was Alois Albrecht in einem Gedicht so ausdrückt:

Manchmal feiern wir mitten am Tag
ein Fest der Auferstehung.
...

(vollständig in http://stephanscom.at/glaube/bibelwort/0503a; wegen des Urheberrechts nicht herkopiert)


Eberhard Wegner Dank; weitere Predigten