Leben

49 Legionskommandant im Illyricum (Jugoslawien) 49 Legionskommandant im Illyricum (Jugoslawien)
48 Quaestor 48 Quaestor
46 Praetor (Afrikafeldzug mit Caesar) 46 Praetor (Afrikafeldzug mit Caesar)
Statthalter der Provinz Africa nova Statthalter der Provinz Africa nova
45 Repetundenprozess (wegen Korruption und Bereicherung) 45 Repetundenprozess (wegen Korruption und Bereicherung)
44 Karriereende durch Caesars Tod 44 Karriereende durch Caesars Tod
Rückzug in Schriftstellertum (vgl. Cicero) Rückzug in Schriftstellertum (vgl. Cicero)


WERK

54 Invektive (Schmähschrift) gegen Cicero 54 Invektive (Schmähschrift) gegen Cicero
51 1. Brief an Caesar: Vorschläge zur Neuordnung des Staates 51 1. Brief an Caesar: Vorschläge zur Neuordnung des Staates
46 2. Brief an Caesar: rät zur Zurückhaltung und Mäßigung im Sieg 46 2. Brief an Caesar: rät zur Zurückhaltung und Mäßigung im Sieg
42/41 bellum Catilinarium: Darstellung der catilinarischen Verschwörung (63) 42/41 bellum Catilinarium: Darstellung der catilinarischen Verschwörung (63)
(interessant: Vergleich mit Ciceros Darstellung in Ciceros Anklageschrift) (interessant: Vergleich mit Ciceros Darstellung in Ciceros Anklageschrift)
40 bellum Iugurthinum: Darstellung des Krieges gegen Iugurtha (111-105) 40 bellum Iugurthinum: Darstellung des Krieges gegen Iugurtha (111-105)
39-34 Historiae: Zeitgeschichte der Jahre 78-67 (fast nichts erhalten) 39-34 Historiae: Zeitgeschichte der Jahre 78-67 (fast nichts erhalten)

Bewertung:


Übersicht I

C. Sallustius Crispus ( = "Krauskopf") wurde am 1. 1o. 86 in der kleinen sabinischen Landstadt Amiternum geboren. Von seinen Jugendjahren wissen wir so gut wie nichts. Als junger Mann kam er nach Rom, um sich weiterzubilden, ging aber dann in die Politik, wo er 55 das Amt eines Quästors (Finanzbeamter) verwaltete, das ihm der Verfassung nach den Zutritt zum Senat verschaffte. Als Volkstribun des Jahres 52 agierte er v.a. gegen Cicero. Sein leichtfertiger Lebenswandel erregte das Missfallen des Zensors App. Claudius Pulcher, auf dessen Veranlassung er 5o aus dem Senat ausgestoßen wurde, möglicherweise aber auch wegen seiner Anhängerschaft zu Cäsar.

Im Bürgerkrieg kämpfte er auf dessen Seite gegen Pompeius (49 - 46) und wurde nach der Schlacht bei Thapsus 46 als proconsul cum imperio (Prokonsul mit außerordentlicher Amtsgewalt) mit der Verwaltung der Provinz Africa Nova (heute: Tunesien) betraut. Unbedenklich in der Wahl seiner Mittel erwarb er sich dort in kürzester Zeit großen Reichtum; eine gegen ihn erhobene Anklage wegen räuberischer Erpressung konnte 45 mit Unterstützung Cäsars niedergeschlagen werden. Von seinem Vermögen erwarb Sallust ausgedehnte Gärten auf dem Monte Pincio unweit der Spanischen Treppe und der Via Sistina die sogenannten Horti Sallustiani: dort führte er nach Cäsars Ermordung 44 ein fern aller Politik nur seinen geistigen Interessen gewidmetes Leben. Er starb am 13. 05. 35 in Rom.

Nach seinem Rückzug aus der Politik widmete sich Sallust ganz und gar der Geschichtsschreibung. In den Vorreden (Prooemien) seiner Werke liest man daher immer zunächst eine Ligitimation dafür, der Politik den Rücken gekehrt und sich dem literarischen Leben verschrieben zu haben. Durch Sallust erlebte die römische Geschichtsschreibung ihren ersten Höhepunkt, da er, an die griechische Tradition anknüpfend, den Anspruch erhob, die historische Darstellung müsse ein Kunstwerk sein.

Er achtete somit weniger auf eine chronologisch genaue und richtige Darstellung geschichtlicher Ereignisse, sondern vielmehr auf die tiefere Verknüpfung, Spannung und kunstvolle Gestaltung seiner Werke, ganz nach dem Vorbild des griechischen Geschichtsschreibers Thukydides. Sallust beschäftigte sich vor allem mit der Geschichte seines eigenen Volkes, besonders dem Aufstieg und dem Untergang der Republik, der seiner Meinung nach ein Ergebnis des moralischen Verfalls war. Er sah in der Moral eine politische Kraft, die die Entwicklung eines Staates maßgeblich beeinflusst.

Der politische Niedergang Roms ging demnach Hand in Hand mit dem zunehmenden Sittenverfall, wofür die Verschwörung des Catilina ein treffendes Beispiel war. Auch in der Zeit der Bürgerkriege sah er eine direkte Folge der moralischen Verwahrlosung der römischen Adelsschicht, als deren Hauptlaster er "avaritia" (Habsucht) und "luxuria" (verschwenderischer Lebenswandel, Luxus) ansah, wobei er "avaritia" als einen Egoismus definierte, der den einzelnen Bürger vom Staat isoliert und dadurch dem Sinn für Gemeinschaft entfremdet. Daher geisselte Sallust mit "luxuria" den privaten Überfluss, in den sich jeder Bürger flüchte, um dem eigenen Wohl Genüge zu leisten.

WERKE

  1. Briefe an Caesar (5o-46; Echtheit umstritten)
  2. de coniuratione Catilinae (Über die Verschwörung des Catilina)
  3. de bello Iugurthino (Über den Krieg gegen Iugurtha)
  4. historiae (Geschichtsbuch der Jahre 78-67 v.Chr., nur bruchstückhaft erhalten)

Übersicht II

Gaius Sallustius Crispus, der im Todesjahr Marius 86 v.Chr. in Amiternum aus guter Familie geboren wurde, hat die Bildung seiner Zeit genossen, aber damals nicht ernsthaft den Gedanken verfolgt Geschichtsschreiber zu werden, er interessierte sich vielmehr für die Politik. Der ehrgeizige junge Mann suchte wie die meisten zu dieser Zeit, die einen Anspruch zu haben glaubten, in den Parteikämpfen des Staates aufzusteigen. Er hat sich dabei, wie üblich und notwendig, einem der führenden Männer angeschlossen. Er war zunächst der Triumvir M. Crassus. Wie er sich während seiner Quästur, dem Amt, das den Zugang zum Senat erschloss, verhalten hat, können wir daraus nur erschliessen, dass er als Tribun im Jahre 52 mittelbar für Cäsar, das heisst gegen die Nobilität Stellung genommen hat.

Zwei erhaltene Briefe an Cäsar, politische Broschüren, vor Beginn des Bürgerkriegs und nach dem Sieg, zeigen, dass er sein Schicksal mit dem Cäsars verknüpft hatte, in ihm die einzige Rettung für den scheinbar in Chaos endenden Staat sah. Die Parteinahme für Cäsar war der Grund, dass Sallust im Sommer des Jahres 50 vom Zensor Appius Claudius aus dem Senat und damit aus der normalen politischen Laufbahn gestossen wurde. Cäsar verwendete ihn in den folgenden Jahren als Führer eines Truppenkommandos in Illyrien (49), dann erhielt er den Auftrag (Ende 47), in Kampanien eine Meuterei der Legionen, die für den Afrikafeldzug Cäsars im folgenden Jahre bestimmt waren, niederzuschlagen. Beide Male hatte er keinen Erfolg. Immerhin rehabilitierte ihn Cäsar, er wurde Prätor und konnte so seine politische Laufbahn wiederaufnehmen. Im Afrikafeldzug Cäsars (46) trug er durch eine Unternehmung gegen die Insel Cercina in der kleinen Syrte, wie die Historiker urteilen, zu Cäsars entscheidendem Sieg bei.

Sallust wurde daraufhin Statthalter in der neugeschaffenen Provinz Afrika. Diese Statthalterschaft hat ihm so viel eingebracht, dass er sich in Rom die berühmten "sallustischen Gärten", in Tibur eine Villa kaufen konnte. Cäsar liess ihn freisprechen, als er wegen der Art seiner Provinzverwaltung in einen Prozess verwickelt wurde. Die Ermordung Cäsars an den Iden des März 44 musste allen seinen Hoffnungen ein Ende setzen, er zog sich aus der Politik zurück. Fortan lebte er der Geschichtsschreibung und der Erkenntnis der Ursachen des Verfalls der römischen Herrschaft. Kein Ende war in diesem Kampf um die Macht vorauszusehen, in dem immer wieder ein Stärkerer den erschöpften Sieger verdrängte, wie er es im Catilina schildert. Aktium, den Wendepunkt, in dem auch manche Zeitgenossen wohl nur einen dieser Bürgerkriegssiege sehen mochten, hat er nicht mehr erlebt: im Jahre 35 oder nach neuesten Forschungen 34 v.Chr. ist er gestorben.

Der Übergang aus der Politik, der er sich nicht mehr zugehörig fühlte, weil echte Leistung und menschlicher Wert (virtus), das einzig Dauernde, wie er sagt, nicht mehr selbstverständliche Anerkennung fanden, ist ihm nicht leicht gefallen. Er gehörte im Grunde zu jenen Römern, die allein in der Tätigkeit für den Staat die ein Leben ausfüllende Beschäftigung eines römischen Mannes sahen, und man glaubt es dem Eifern und Verteidigen in den Vorreden zum Catilina und zum Jugurthinischen Krieg anzumerken, wie neu ihm die Erkenntnis ist, dass bei der Lage der Dinge mehr Nutzen aus seiner Geschichtsschreibung, das heisst seiner Musse - für den Römer dem "Nichtstun" -, für sein Volk entspringe als aus einer politischen Tätigkeit, wenn er sich etwa weiter an dem Treiben jener Tage beteiligt hätte.

Nach römischem Empfinden konnte man ihm den Vorwurf der inertia, der Schlaffheit und Trägheit, machen, des Gegenteil von Tüchtigkeit und Fleiss. Und Sallust erkennt diese Wertung in gewisser Weise an, stellt seine Existenzform nicht gleichberechtigt daneben. Nur bei der jetzigen Lage der Dinge kann man das, was der Mensch erreichen soll, nämlich sich durch Taten des Geistes dauernden und wahren Ruhm zu erwerben, nicht mehr erreichen, wenn man sich dem vergänglichen, weil nicht mehr wahrem Werte dienenden Leben der Tagespolitik widmet. Den Gedanken zu fassen, trotzdem dem Staate zu dienen, auch wenn keine Aussicht auf Anerkennung besteht und um des Rechten willen, war Cicero vorbehalten geblieben. Sallust war zu sehr im Altrömischen verwurzelt, der Gedanke Ruhm, Glanz und Anerkennung als selbstverständliche Gegenleistung der Gemeinschaft zu ernten, so stark in ihm haftend, dass er sich abwendet und zurückzieht.

Natürlich bleibt der Wille, dem Staate auf bessere Weise zu nützen, nämlich durch die Geschichtsschreibung. Die Gedanken aber, mit denen er diese Rechtfertigung seiner neuen Lebensform vollzieht, sind ihm in der Auseinandersetzung mit philosophischen Gedankengängen der Griechen erwachsen. So enthalten seine Vorreden eine ganz ursprüngliche - ursprünglich, weil mit ihr seine ganze Existenz steht und fällt - Philosophie aus römischen und griechischen Gedanken.

Seine Geschichtsschreibung, nach dem Tode Cäsars entstanden, will nicht das Gewesene schlechthin darstellen, sie hat wie alle römische Geschichtsschreibung einen praktischen Zweck. Sie will Beispiele geben, zu Tüchtigkeit, wahrem Wert und Tapferkeit - der Römer fasst dies in dem unübersetzbaren Wort virtus zusammen - aufrufen. Die Geschichte ist für den Römer und das römische Volk das, was die Ahnenbilder für den Mann aus vornehmer Familie sind, die ihn anspornen, der virtus der Vorfahren gleichzukommen. So hat es Sallust selbst schon in Jugurtha schön ausgedrückt. Der Historiker ist der Verwalter der memoria.

Einer grossen Sache ein Denkmal zu errichten und dabei dem wahren Wert zu seiner verdienten Anerkennung zu verhelfen, das ist die Absicht des Historikers Sallust. Dabei kommt es ihm in erster Linie nicht darauf an, das, was wir unter historischer Wahrheit verstehen, den richtigen zeitlich-kausalen Zusammenhang, aufzuhellen, sondern eben auf die tiefere Wahrheit. Man hat aus zeitlichen Ungenauigkeiten und Verschiebungen schliessen wollen, dass Sallust aus Parteiinteresse den Zusammenhang fälsche. Das ist nicht so. Wie wollte man es dann erklären, dass er im Jugurthinischen Krieg den Mann der Nobilität, Metellus, aufs höchste rühmt, den Mann seiner Partei, Marius, auch tadelt und durchaus nicht immer im günstigen Licht erscheinen lässt und dass er auch seinem Gegner Cicero in der vorliegenden Schrift alle Gerechtigkeit widerfahren lässt? Natürlich hält seinem scharfen und eifersüchtig-wachsamen Blick kaum eine Gestalt stand, und grösste virtus billigt er nur Cäsar oder Cato zu.

Die zeitlichen Verschiebungen - es handelt sich in der Hauptsache um zwei - erklären sich alle daraus, dass Sallust künstlerisch frei schaltet und aufbaut, um das, was er als die tiefere Wahrheit des Handelns ansieht, schärfer herauszuarbeiten. Sicher ein nicht ungefährliches Verfahren, aber es lässt auch eine ungebrochene Sicherheit des Urteils erkennen, die dem Schriftsteller trotz der widersprechenden Wirklichkeit aus einer im Grunde noch ungebrochenen Moral der Gemeinschaft erwächst, auf der ja dann Augustus sein Erneuerungswerk aufbauen kann. Es bleibt also bei dem Urteil, das Augustin über Sallust gefällt hat, er sei ein nobilitatae veritatis historicus, ein Historiker von rühmenswerter Wahrhaftigkeit.

Er hat die römische Geschichte "stückweise" beschrieben, wie es sich ausdrückt, wie jeder des Gedächtnisses wert schien. Er begann damit, die Verschwörung des Catilina darzustellen, schrieb dann den Jugurthinischen Krieg und als letztes Werk die Historien, ein Werk, das mit dem Tode Sullas dort begann, wo der Historiker der sullanischen Zeit aufgehört hatte, Sisenna. Diese Gegenstände sind nicht zufällig gewählt. "Die Verschwörung des Catilina" stellt den moralischen Verfall des politischen Lebens auf dem Höhepunkt dar, in der grossen Verbrechergestalt Catilina, die nur in dieser korrupten Gesellschaft möglich war, der Jugurtha zeigt den Beginn der Reaktion des Volkes gegen die korrupte Nobilität, in den Historien - daraus sind nur Reden und eine ganze Anzahl Fragmente erhalten - werden die verheerenden Folgen des sullanischen Regimentes, wie er Sie in einem Exkurs in "Die Verschwörung des Catilina" andeutet, breit hervorgetreten sein.

Alle Werke gehen also dem einen Problem nach, wie es gekommen ist, dass der römische Staat an den Abgrund kam, auf den man unaufhaltsam zusteuert. Ein griechischer Historiker, Poseidonius, lehrte ihn wohl besonders, die ganze römische Geschichte in einem grossen Zusammenhang zu sehen. In ihm bringt das Epochenjahr 146, das Jahr der Zerstörung Karthagos, die entscheidende Wende. Als die Furcht vor dem grossen Feind wegfiel, begannen jene Laster, die Ehrsucht und die Habsucht, ambitio und avaritia, die den Menschen und damit den Staat zugrunde richten. Hatte aber Poseidonius in Sulla alles zur alten Ordnung zurückkehren lassen, wie wir aus seiner Darstellung der Gracchen erschliessen, so sieht Sallust tiefer, mit mehr Erfahrung und pessimistischer. Jenes Jahr war der Beginn eines unaufhaltsamen und unübersehbaren Verfalls. In allen drei Werken wird dieses Geschichtsbild der gesamten römischen Geschichte dargestellt. In "Die Verschwörung des Catilina" gleich zu Anfang, um die Gestalt des Catilina aus dieser Schilderung zu entwickeln, im Jugurtha in einer Einlage, in den Historien in der Vorrede. Man sieht, wie wichtig ihm gerade dieses Anliegen, die Erkenntnis des moralischen Verfalls, war.

Und das Bild wird immer düsterer. Wird im Catilina die Vorzeit noch in goldenem Licht gesehen, so sind die Menschen im Jugurtha vor der Zerstörung Karthagos nur aus Zwang gut, in den Historien vollends wird nach der Zerstörung Karthagos nur ein Anwachsen der Verderbnis festgestellt. Man kann wohl davon sprechen, dass Sallusts Menschenbild und damit das Bild vom Gesamtverlauf der römischen Geschichte immer dunkler und verzweifelter wird. Diese Fähigkeit aber, auf die letzten Ursachen zurückzugehen und die römische Geschichte in einem Gesamtverlauf zu sehen, ist etwas neues in der römischen Geschichtsschreibung, die bis dahin immer wieder entweder die Geschichte der Stadt von ihren Anfängen oder eine glanzvolle Epoche, wie den ersten Punischen Krieg, oder Zeitgeschi mit bestimmter politischer Absicht dargestellt hatte.

Die hier bereit gestellte Schrift, der Catilina, ist das Erstlingswerk des Sallust, und man meint ihm das noch an manchen Zügen anzusehen. Die Breite der Vorgeschi mit dem Rückgriff in die frühesten Zeiten, ein Einschub wie der Bericht über die erste Verschwörung, Einzelschilderungen und -züge wie das Bild der Sempronia oder die Tötung des Fulvius gibt es dann in dem noch strafferen Jugurthinischen Krieg nicht mehr. Dafür entschädigt der Stoff in besonderer Weise, eben die Darstellung des Höhepunktes einer Zersetzung, in dem der Staat noch einmal Sieger bleibt. Aber auch der Aufbau ist kunstvoll und überlegt, voll dramatischer Spannung. Man darf dabei nicht einen einheitlichen Gedanken, der auch den Aufbau von Anfang bis Ende durchformte, suchen. Es ist vielmehr so, dass Sallusts Blick, der Sache entsprechend und so ihr besonders gerecht werdend, zunächst auf Catilina weilt, ihn verständlich macht aus den Zuständen des Staates, dann den Staat im Kampf zeigt, wobei der Blick wechselt, jeweils von Catilina auf die Massnahmen des Staates geht, um schliesslich zum Schluss die Gestalt des Catilina, der mit einem heldenhaften Tod sein Verbrechen sühnt, wieder hervortreten zu lassen und seine mannhafte Art anzuerkennen, die sich in seinem Ende zeigt und in der Sallust noch etwas von der Kraft spürt, die einst den Staat gross gemacht hat.


Überblick III

Leben

Das Leben des ersten großen Geschichtsschreibers der Römer, reich an politischen Hoffnungen und Enttäuschungen, ist am Anfang von der Diktatur Sullas, am Ende vom Triumvirat überschattet. Dazwischen liegen die Erfolge des Pompeius im Osten, die catilinarische Verschwörung, die Siege Caesars in Gallien, seine Alleinherrschaft und sein Tod. So erlebt Sallust zugleich die gewaltige Expansion des Reiches und den inneren Zusammenbruch der Republik.
Im Jahr 86 v. Chr. zu Amiternum im Sabinerland geboren, gehört C. Sallustius Crispus ursprünglich nicht dem Senatorenstand, sondern dem kleinstädtischen Adel an. Nach lebensfroh verbrachter Jugend (Gell. 17, 18) wird er zu einem unbekannten Zeitpunkt Quaestor und im Jahr 52 v. Chr. Volkstribun. Lockerer Lebenswandel – und caesarianische Gesinnung – führen (50 v. Chr.) zum Ausschluss aus dem Senat (Dio Cass. 40, 63, 4). Doch sorgt Caesar für Sallusts Rehabilitierung und lässt ihn im darauffolgenden Jahr eine Legion befehligen. Sallust erleidet eine Niederlage (Oros. hist. 6, 15, 8). Als designiertem Praetor misslingt es ihm, in Campanien meuternde Truppen Caesars zu beschwichtigen; im folgenden Jahr nimmt er erfolgreich am Afrika-Feldzug teil (Bell. Afr. 8, 3; 34, 1; 3). Aus der Provinz Africa Nova, die er als Statthalter verwaltet, kehrt er 45 oder Anfang 44 v. Chr. nach Rom zurück und entgeht nur dank Caesars Hilfe einer Anklage wegen Bereicherung. So kann er die herrlichen 'sallustischen Gärten' auf dem Quirinal und einen Landbesitz Caesars bei Tibur erwerben. Spätestens nach dem Tod des Diktators zieht er sich aus der Politik zurück und widmet sich der Schriftstellerei. Er stirbt im Jahre 35 oder 34 v. Chr.
Das Bellum Catilinae, sein Erstlingswerk (Catil. 4), datiert man (wegen 53, 6–54, 4) nach Caesars Tod (wohl um 42 v. Chr.), das Bellum Iugurthinum in die Zeit des Triumvirats (um 40 v. Chr.). Die Arbeit an den Historien füllt Sallusts letzte Lebensjahre. Im Jahr 38 v. Chr. soll der Caesarianer P. Ventidius Bassus bei ihm eine Rede auf seinen Parthersieg bestellt haben. Sonstige Reden Sallusts las noch der ältere Seneca (contr. 3, praef. 8), aber nur "zu Ehren der Geschichtswerke". (Über die Invektive und die Briefe an Caesar s. den Anhang).


Werk

Bellum Catilinae

Einleitend erklärt Sallust, wie er zur Schriftstellerei kam (1–4, 2). Er nennt sein Thema (4, 3–5), stellt Catilina vor und fragt nach Ursachen und Anlass der Verschwörung (5, 1–8); dies führt zu einem Exkurs über Roms allmähliche Entartung (5, 9–13, 5). Vor diesem Hintergrund wird das Verhalten der Verschworenen und Catilinas verständlich gemacht (14–16). In den Bericht von der ersten Versammlung der Beteiligten (17–22) ist ein Exkurs über die sogenannte erste Verschwörung eingeschaltet (18, 1–19, 6). Im Mittelpunkt dieser Szene steht eine Rede Catilinas (20).
Es folgen die Ereignisse bis zu Catilinas Abreise und Ächtung (23–36, 3). Nach einem Exkurs über die traurige Lage des Staates (36, 4–39, 5) hören wir von der Entdeckung der Verschwörung in Rom (39, 6–47, 4) und ihrer Unterdrückung (48, 1–55, 6).
Einen Höhepunkt bilden die Verhandlungen im Senat bis zur Hinrichtung der Verschworenen (50–55). Sallust verweilt besonders bei den Reden Caesars (51) und Catos (52) und dem Vergleich zwischen den beiden großen Männern (53, 2–54, 6). Den Schlussteil des Werkes, der vom Ende Catilinas (56–61) handelt, schmückt eine Rede dieses Helden (58).

Bellum Iugurthinum

Ähnlich ist die Monographie über den Iugurthinischen Krieg (111–105 v. Chr.) aufgebaut. Auf das Prooemium, in dem Sallust nochmals seine historische Schriftstellerei rechtfertigt (1–4), folgen die Ankündigung des Themas (5, 1–3) und der Rückblick auf die Vorgeschichte – bis zur Teilung Numidiens zwischen Adherbal und Iugurtha (5, 4–16).
Der Afrika-Exkurs bildet hierauf einen Einschnitt (17–19). Die Ereignisse von der Teilung Numidiens bis zum Ausbruch des Krieges füllen den folgenden Hauptteil (20, 1–28, 3). Der nächste Abschnitt umfasst die Feldzüge des Bestia und Albinus bis zur schmählichen Demütigung der Römer und zur rogatio Manilia (28, 4–40).
Der Parteienexkurs (41f.) – der sinnvollerweise im Zusammenhang der Darstellung der unruhigen Verhältnisse in Rom steht – ist in seiner Stellung vor der Peripetie mit dem Exkurs im Catilina (36, 4–39, 5) zu vergleichen. Es folgen die Feldzüge des Metellus (43–83) und des Marius (84–114).

Historiae

Die Historiae – als Fortsetzung von Sisennas Geschichtswerk gedacht – beginnen in Sullas Todesjahr (78 v. Chr.) und reichen bis in das Jahr 67 v. Chr. Der Tod hat Sallust die Feder aus der Hand genommen. Erhalten sind aus diesem Werk vier Reden und zwei Briefe, dazu etwa fünfhundert Fragmente. Den Zusammenhang können wir aus späteren Schriftstellern – z. B. Plutarch – rekonstruieren.
Im ersten Buch schloss sich an den bedeutenden Prolog (1–18) ein Rückblick auf die vorausliegenden fünfzig Jahre (19–53) an – eine sogenannte 'Archäologie'. Die Haupthandlung eröffnete eine Rede des Consuls des Jahres 78 v. Chr. , Lepidus, gegen Sulla und für die Wiederherstellung der Freiheit (55). Wohl aus Anlass von Sullas Tod folgte ein Charakterbild des Tyrannen (58–61), weiter Lepidus' Aufstand (62–83) mit der Rede des Marcius Philippus im Senat (77), schließlich der Krieg gegen Sertorius (84–126).
Die Ereignisse von 76 bis Anfang 74 v. Chr. füllten das zweite Buch: Lepidus' Untergang auf Sardinien (mit einem Exkurs über diese Insel 1–11) und das Oberkommando des Pompeius in Spanien (1–22). Schauplätze sind Rom, Spanien, Makedonien (23–41). In das folgende Jahr (75 v. Chr.) fallen C. Cottas Rede vor dem Volke (47), der Fortgang des Sertorius-Krieges (53–70), die Vorgeschichte des Mithridatischen Kriegs (71–79), der dardanische (80) und isaurische Krieg (81–87) – mit einem geographischen Exkurs (82–87) – und die Ereignisse in Spanien (88–98) mit dem Brief des Pompeius (98).
Das dritte Buch enthielt Antonius' Kampf gegen Seeräuber, seinen Angriff auf Kreta (1–16) mit einer Beschreibung Kretas (10–15), die Anfänge des Mithridatischen Kriegs (17–42), weitere Ereignisse derJahre74 und 73 v. Chr. (43–51) mit der Rede des Volkstribunen Macer (48), den Mithridatischen Krieg (52–60), den berühmten Exkurs über das Schwarze Meer (61–80), das Ende des Sertorius-Kriegs (81–89) und den Spartakus-Krieg (90–106).
Buch 4 umfasste das Geschehen der Jahre 72–70 v. Chr. in Asien (1–19), das Ende des Sklavenkriegs (20–41) mit einer Beschreibung Unteritaliens und Siziliens (23–29), die Ereignisse in der Stadt (42–55) und schließlich den armenischen Krieg (56–80) mit dem berühmten Mithridatesbrief (69).
Das fünfte Buch (Herbst 68 – Ende 67 v. Chr.) berichtete vom Ende des von Lucullus geführten Krieges (1–16) und vom Seeräuberkrieg (17–27).


Sprache und Stil

Sallust ist der eigentliche Schöpfer eines historiographischen Stils in Rom. Er greift bewusst auf den alten Cato zurück, dessen Sprache erst durch Sallust stilbildend wird. Z. B. klingen die Fragmente des Claudius Quadrigarius, obwohl sie viel älter sind, 'normaler', 'klassischer' als die archaisierende Diktion Sallusts. Der Stilwille unseres Autors stößt denn auch zunächst auf Unverständnis – Asinius Pollio sagt ihm nach, er habe einen Philologen beauftragt, kernige Redewendungen aus Cato zu exzerpieren.
In der Tat bereichern den Wortschatz zahlreiche Entlehnungen aus Cato; archaisierend ist auch die Vorliebe für Alliterationen. Andere Elemente weisen 'epische' Färbung auf. In bezug auf archaische Schreibungen darf man allerdings den modernen Ausgaben nicht allzusehr trauen, da sie zuweilen in der Herstellung alter Formen zuviel des Guten tun. Zwar ist zuzugeben, dass Abschreiber von Handschriften dazu neigen, die Rechtschreibung zu 'modernisieren', doch droht auch die umgekehrte Gefahr: Zur Zeit des Archaisten Fronto und vollends um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wollte man in naiver Entdeckerfreude auch dort Altlatein lesen, wo es nicht überliefert war. Ein ungeschminktes Bild von Sallusts Latein, wie es auf uns gekommen ist, erhalten wir nicht aus den gängigen Editionen der Monographien, sondern aus Maurenbrechers Historien-Ausgabe.
Sallusts Syntax und Stil unterscheiden sich freilich spürbar von Cato. Der Satzbau ist nicht so locker wie im Altlatein, sondern sehr straff. Stiltheoretisch lässt sich Sallust als 'Attizist' bezeichnen. Doch ist er wohl der einzige Autor, dem es gelungen ist, dieses Kunstprinzip mit großem sprachlichem Reichtum und ungewöhnlicher Farbigkeit zu verbinden.
Ein Hauptmerkmal seiner Schreibart ist varietas. Wieviel Konzinnität dennoch herrscht, bemerkt man, wenn man von Tacitus zu Sallust zurückkehrt. Asyndeton und Parataxe zeugen von Sallusts brevitas, seiner velocitas (Quint. inst. 10, 1, 102), die es ihm gestattet, mit wenigen Worten viel zu sagen. In dieser 'Dichte' erkennt Quintilian einen Unterschied zum Stil der Redekunst, der es vor allem auf Klarheit und Verständlichkeit ankommen muss (inst. 4, 2, 45; 1, 1, 32).
Dem Hauptziel knapper Darstellung sind andere Prinzipien – wie Archaismus oder Neuerung (und Sallust ist ein Neuerer) – funktional untergeordnet. In seiner schöpferischen Verbindung von Altem und Neuem erinnert Sallust an Lukrez. Ein Streben nach Provokation der Optimaten durch vulgäres Demokratenlatein ist mit Sicherheit auszuschließen; den es lässt sich nicht leicht ein vornehmerer Stilist finden als Sallust.
Bei Sallust kann man die stilistische Entwicklung nicht so klar beschreiben wie bei Tacitus. Immerhin beobachtet man vom Catilina zum Iugurtha eine beabsichtigte Steigerung: Die im Erstlingswerk entwickelten Stilmerkmale nehmen zu, dies gilt z. B. auch vom Infinitivus historicus, der in dem zweiten Werk häufiger ist (und dadurch etwas an Wirkung verliert).
Sallust bemüht sich um gewichtiges, bedeutungsvolles Sprechen. Daher meidet er von Anfang an politische oder halb-politische Schlagwörter wie gravitas, honestas, humanitas, lenitas, verecundia, consensus, auch claritas. Nach dem Catilina verschwinden: crudelitas (es bleibt saevitia), cupiditas (es bleiben cupido und lubido), desidia (es bleiben ignavia, inertia, socordia), eloquentia (es bleibt facundia). Es steigt also die Vorliebe für das gesuchtere, ausdrucksstärkere Wort.
Vom Catilina zum Iugurtha nehmen zu: formido, metuo, metus, anxius, vecordia, aerumnae, cupido, ignavia, socordia, opulentus. Von den Vokabeln der Furcht entdeckt Sallust terror erst im Iugurtha, pavor in den Historien. Dafür lässt er das im Catilina beliebte Adjektiv formidulosus später ganz fallen.
Zwischen dem Bericht des Historikers und den eingestreuten Reden gibt es kaum sprachliche Differenzen – abgesehen von dem etwas behaglicheren Stil der Reden. Auch findet sich kaum eine sprachliche Differenzierung nach Personen: Sallusts Caesar spricht kein caesarisches, sondern sallustisches Latein. Marius beweist seine 'mangelnde rhetorische Bildung' in einer meisterlich gestalteten Rede. Wenn die Reden dennoch dem Ethos der Sprecher in hervorragendem Maße angepasst sind, so ist dies keine Frage der Sprachbehandlung im engeren Sinne.
Sallust hat es sich mit dem Schreiben nicht leicht gemacht: et sane manifestus est etiam ex opere ipso labor (Quint. inst. 10, 3, 8). Seine Sprache ist kein Alltagslatein; die Vorliebe für facio sowie agito und sonstige Frequentativa allein kann ein solches Urteil nicht rechtfertigen. Es handelt sich um eine erlesene Kunstsprache.


 

Sprachliche und stilistische Besonderheiten bei Sallust

Bedingt durch das Streben nach Altertümlichkeit der Sprache (Archaismen), Kürze und Verschiedenheit (Inkonzinnität) des Ausdrucks ergeben sich bei Sallust eine Reihe von Besonderheiten:

Lautlehre:

vo statt vu:

divorsus = diversus; voltus = vultus; vostra = vestra

u statt i:

lubido = libido; aestumare = aestimare; maxumus = maximus; minumus = minimus

u statt e:

bei der Bildung von Gerundium und Gerundivum der Verben der konsonantischen und der i-Konjugation: colundo = colendo; capiundae = capiendae

Verzicht auf die üblich Assimilation:

conrupta = corrupta; subpetebat = suppetebat; inmutare = immutare

Formenlehre:

Der Nominativ Singular der Substantive auf -or hat die Endung os:

honos = honor; colos = color

Der Genitiv Singular der o-Dekl. wird zuweilen auf i statt auf ii gebildet:

imperi = imperii; ingeni = ingenii

Der Genitiv Singular der u-Dekl. wird manchmal analog dem Gen. Sing. der o-Dekl. gebildet:

senati statt senatus

Der Akkusativ Plural bei Substantiven, Adjektiven und Partizipien, die den Genitiv Plural auf -ium bilden, lautet auf is statt auf es.

civis statt cives; omnis statt omnes; urbis statt urbes

Die 3. Pers. Plur. Perf. Akt. endet meist auf -ere statt erunt:

coepere statt coeperunt; fecere statt fecerunt

Wortwahl:

forem statt essem in Kondizional- und Finalsätzen

haud statt non

Satzlehre:

esse in Verbindung mit einem Adverb:

frustra fuissent; post fuere

esse in Verbindung mit dem Genitiv eines Gerundivums zur Bezeichnung des Zwecks:

conservandae liberatis fuerat

opus est in Verbindung mit dem Ablativ eines Part. Perf. Pass.

consulto opus est statt consulere opus est; facto opus est statt facere opus est

Häufige Verwendung des hist. Infinitivs zur Schilderung rasch aufeinander folgender Ereignisse und seelischer Erregungen:

temptare, festinare, parare, hortari ire, tegere, rapere, trahere, cupere